Eine Lektion in Spieletaktik

“Spielen wir was?” Dem bettelnden Blick meiner fünfjährigen Nichte kann ich natürlich wieder einmal nicht widerstehen. Dass die Wahl des Spiels auf ein Memory fällt, ist auch nicht weiter überraschend, war es doch schon länger ein Spiel, bei dem die Gewinnchancen für sie sehr gut standen. Neuerdings habe ich allerdings den Albtraum eines jeden Memory-Spielers kennen gelernt: ein 60-teiliges Prinzessin Lillifee-Memory.

“Ich glaube, ich gewinne!” Nein, nicht zur Spielehalbzeit oder gar vor der Aufdecken der letzten Pärchen verkündet dies meine Nichte. Der demoralisierende Ausspruch ist die Einstimmung bevor das erste Plättchen aufgedeckt ist. Merke, sie beherrscht mittlerweile auch den Psycho-Krieg.

“Ich kann nicht mal den Unterschied der Plättchen erkennen”, beschwere ich mich. Hier tanzt Lillifee links herum, dort rechts herum, mal ist der Hintergrund rosa gestreift, mal gepunktet –  für mich sieht alles gleich aus. “Das sieht man doch”, lautet die lapidare Auskunft – etwas mehr Mitgefühl hatte ich schon erhofft. Immerhin Lillifees Freund “Pupsi” auf den Plättchen bietet mir gelegentlich ein grobes Unterscheidungsraster.

“Menno”, beklagt sich meine Nichte, sobald ich mal selbst ein Pärchen aufdecke – ein zugegebenermaßen seltenes Ereignis. Nur ein kompletter Durchmarsch zählt!

“War das Plättchen mit Pupsi hier oder dort?”, hilfesuchend wende ich mich an meine Nichte. “Dort” kommt die prompte Antwort. Doch oh graus – kaum habe ich das empfohlene Plättchen aufgedeckt, merke ich, dass mein Pärchen nun doch nicht passt. Die Bahn ist frei, so dass meine zweite Wahl nun glücklich vereint auf dem gegnerischen Stapel landet. Dunkel erinnere ich mich, dass ich vorher eine ähnliche Frage wahrheitsgemäß beantwortet habe – wie dumm von mir!

Dermaßen reingelegt meide ich von nun an, weiter um Rat zu fragen. Ist aber auch nicht
mehr nötig – meine Schwachstelle ist entdeckt und ungefragt werden immer wieder Tipps gegeben, die natürlich nur zur Verwirrung dienen und allesamt tunlichst zu meiden sind.

“Was sucht denn der Schlumpf auf dem verdeckten Plättchen?”, stelle ich verwundert fest. Der detektivische Erfolg bewirkt immerhin, dass die Gedächtnishilfe nach einigem Protest entfernt wird. Das alles hilft aber nur kurzzeitig: ein erstmalig aufgedecktes Plättchen wird quasi blind mit seinem Pendant umgedreht.

“Sind die Rückseiten irgendwie gekennzeichnet”, frage ich arwöhnisch und traue meiner Nichte mittlerweile alles zu. “Nein, in diesem Spiel nicht” – Aha, bei anderen Memory-Varianten gibt es also derart präparierte Exemplare.

“Dein Stapel ist nur halb so hoch wie meiner”, lautet die niederschmetternde Adhoc-Auswertung meiner Nichte. Das hält sie natürlich nicht ab, noch einmal die genaue Anzahl nachzuzählen und sich zu merken, um das Endergebnis mir später wieder und wieder vorhalten zu können.

“Nochmal?”, werde ich ungerührt gefragt. “Wie wär’s mit einer Partie Halli-Galli” versuche ich auszuweichen, bevor mir wieder einfällt, dass im letzten Spiel die Hand meiner Nichte immer 1 cm über der Entdeckungsglocke kreiste. Besser nichts dem Zufall überlassen…

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6 Antworten zu Eine Lektion in Spieletaktik

  1. Stefan sagt:

    Ich schaffs heute leider nicht zum Spielen, weil ich zu unorganisiert gearbeitet habe und morgen noch eine Deadline einhalten muss…

    Viel Spaß euch allen!

  2. Jacqueline sagt:

    Revanche von Magnum Sal oder kann Leute in Arcana (neuste Errungenschaft) einweisen (Kartenspiel – Mischung aus Dominion & ev. so Kartenrollspielen).

    @Michi: Kannst Du mir ev. “Wie ich die Welt sehe” ausleihen? Sind am Samstag auf Geburtstag von unseren Spielerpäarchen und hoffe das wir hier dann gut harmonieren würden. ^^

  3. Horst sagt:

    @Jacqueline:
    Da gibt es heute keinen extra Artikel. Spielewünsche bitte hier rein.
    Manu hatte wegen ‘Kingdom Builder’ angefragt, hat nur niemand von uns.

  4. Jacqueline sagt:

    Echt süss die Story, konnte mich da sofrot in deine Lage versetzen. ^^

    @Horst: Wo ist der Artikel für das heutige Spielen?

  5. Horst sagt:

    … und die Lektion von der Geschicht’ ….. ? -> Etwa:
    Spiel mit kleinen Kindern (Memory) nicht.

    Zu den ‘Memory’-artigen Spielen wäre da noch Zicke-Zacke … genannt:
    http://sunsite.informatik.rwth-aachen.de/cgi-bin/luding/GameName.py?f=00w%5EE4X&gamename=Zicke-zacke

  6. Andreas sagt:

    So spielt das Leben…. 😉
    Schön geschrieben, die Kleinen können da echt gnadenlos sein.

    Ungeachtet dessen, es gab mal eine Memory Variante “Wer wohnt wo?”. Holztiere suchen in Holzhäusern ihre richtige Unterkunft. Das Tier zieht zum Haus, Dach abheben und feststellen ob man richtig ist. Jedes Tier war 2x vorhanden, 12 Häuser samt Dächer. Wer zuerst alle Tiere unterbringt gewinnt. Netter Dreh: die Tiere werden in einer warteschlange aufgestellt, wer falsch anklopft muss sich wieder hinten anstellen. Mehrere Varianten sind möglich. Hat mir und meinen Kindern gut gefallen.

    Und dann gab es noch ein Spiel mit aufgedeckten runden Plättchen, auf jedem irgendwas abgebildet, 6 farbigen Holzscheiben von der Größe der Plättchen. 6 Plättchen werden abgedeckt, ein Farbwürfel ermittelt eines der Plättchen, benennt man die richtige Abbildung durfte man das Plättchen einsammeln und ein weiteres wurde mit der Holzscheibe abgedeckt. Auch nett, mir will aber partout der Name nicht dazu einfallen, war in einer kleinen Schachtel, Kategorie Mitbringspiel, von Ravensburger.

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